DEKRA prüft zwei Uhren mit bis zu 81g Beschleunigung
Der Uhrentest auf dem Druckluft-Katapult
Die branchenüblichen Belastungsprüfungen für Uhren geben einen guten Anhaltspunkt für die Zuverlässigkeit eines Zeitmessers. Sinn Spezialuhren aus Frankfurt am Main ging mit zwei Uhren der Baureihen 756 und 900 einen Schritt weiter und ließ sie von der DEKRA im Technology Center Klettwitz (Brandenburg) unter Extrembelastung prüfen.
Wer weiß schon, wo Klettwitz liegt? Der Rockmusiker Herbert
Grönemeyer zum Beispiel. Er gab in dem 1.300-Einwohnerort, 50 Kilometer
nördlich von Dresden, ein riesiges Konzert: Rock am Lausitzring!
Ziemlich genau in Klettwitz prallten vor ein paar hundert Jahren schon
die Kulturen der Königreiche Preußen und Sachsen aufeinander. Heute
können hier sehr geplant Gegenstände aufeinanderprallen. Am Lausitzring
(5,8 km Rundstrecke) steht das DEKRA Technology Center, in dem unter
härtesten Bedingungen Materialprüfungen für die internationale
Automobil-Industrie durchgeführt werden.
70 Techniker und Ingenieure arbeiten heute an der Stelle, an der ab 1951 Eimerkettenbagger rund 40 Jahre lang 362 Millionen Tonnen Kohle im Tagebau gefördert haben.
Die DEKRA am heutigen Lausitzring war Ziel eines bisher wohl einmaligen Uhrentests. Sinn Spezialuhren ist bekannt für den Einsatz ungewöhnlicher Technologien und Materialien im Uhrenbau. Deshalb bot sich auch einer der ungewöhnlichsten Belastungstests nach genormten Bedingungen bei der DEKRA an.
Die Testvorgabe
Aufprallgeschwindigkeit 64 km/h mit bis zu 81g (1g = 9,8 m/s2) am Handgelenk eines Dummys in einer Automobil-Karosserie. Auch für die Fahrzeug-Spezialisten der DEKRA war ein solcher Test bisher einmalig.
Der Duochronograph 756 mit TEGIMENT-Gehäuse, Boden aus nickelfreiem Edelstahl, Ar-Trockenhaltetechnik und Magnetfeldschutz bis 100 mT (= 80.000 A/m bzw. 1.000 Gauß). Der Multifunktions-Chronograph 900 mit TEGIMENT-Gehäuse, Boden aus nickelfreiem Edelstahl, Ar-Trockenhaltetechnik, Saphirkristallglasentspiegelung.
Crashtests für die Automobilindustrie sind im DEKRA Technology Center an der Tagesordnung. Eine Uhr am Handgelenk eines 75 Kilogramm schweren Dummys wurde bisher noch nie auf dem Druckluftkatapult „abgeschossen“. Für lebende Autoinsassen würde der simulierte Test bei 64 km/h etwa Beschleunigungskräften von bis zu 81 g entsprechen. Ohne den Einsatz von Sicherheitsgurten und Airbag wären die Überlebenschancen im Realfall gleich Null. Der Dummy im DEKRA-Test war angeschnallt – und mit ihm auch die Uhren von Sinn. Routine, aber auch gespanntes Interesse bei den Ingenieuren und Technikern der DEKRA. Zunächst muss die Beschleunigungsanlage für den Test vorbereitet werden: Karosse auf dem Katapult befestigen, Sitz einbauen, Dummy mit Flaschenzug in das „Fahrzeug“ hieven, Uhr (mit Lederband) an das Handgelenk schnallen, Hochgeschwindigkeits-Kameras (1.000 Bilder pro Sekunde) sowie Lichtanlage (60.000 Watt) justieren.
Und dann nochmals eine Kontrolle aller geschraubten, fixierten und justierten Teile. Zum Schluss kommt ein ganz herkömmlicher Besen zum Einsatz, mit dem noch die letzten störenden Staubreste von den Laufschienen der Katapultanlage gefegt werden.
Dann geht es wie beim Countdown einer Weltraumrakete zu: Die Techniker verlassen die Startrampe. „Pilot“ Dummy sitzt sehr einsam mit seiner Sinn Uhr angeschnallt im Sitz. Hinter einer dicken Glasscheibe im Kommandostand, oberhalb der Testhalle, werden jetzt die letzten Startvorbereitungen getroffen. Hinter schalldämmenden Mauern lädt ein Kompressor eine Batterie Druckluftflaschen bis 150 bar auf. Mit mehreren in Reihe geschalteten Bremszylindern wird das Katapult vor der Startdüse gehalten.
Ein Knall – das Katapult jagt los
Der Druck steht, der Countdown läuft – noch zehn Sekunden. Ein Knall, Dummy und seine Uhr werden in 60 Millisekunden in die Gurte geschleudert. Blitzartig schießt der Oberkörper nach vorn. Der Arm mit der Uhr wedelt durch die Öffnung der Seitenscheibe. Nach 20 Metern kommt die Karosserie gebremst wieder zum Stillstand.
Das Team mit Sinn-Geschäftsführer Dipl. Ing. Lothar Schmidt und den technischen Entwicklern, Dr. Wolfgang Schonefeld sowie Dr. Ing. Ronald Boldt (Geschäftsführer SUG) machen sich auf den Weg zum Katapult. Tickt dort eine „Zeitbombe“ oder nur eine extrem widerstandsfähige Uhr? Zum Vergleich: Kunstflug- und Jetpiloten sind Beschleunigungskräften von „nur“ 11 g ausgesetzt. Beim DEKRA-Test geht es um viel mehr!
Erste Bestandsaufnahme:
Dummy wohlauf, die beim Abbremsvorgang gegen die Karosserie geschlagene Uhr mit gehärtetem (TEGIMENT)-Gehäuse zeigt äußerlich keine Verschleißspuren, die Federstege des Lederarmbandes sind so gerade wie vor dem Start, die Uhr läuft.
Die anschließende Messung auf der Zeitwaage gibt mehr Aufschluss darüber, wie das mechanische Uhrwerk bis zu 81 g Beschleunigung überstanden hat. Verglichen mit den aufgezeichneten Werten vor dem Belastungstest, sind die jetzt vorliegenden Messdaten des Duochronographen 756 nahezu identisch. Bei minimal veränderten Amplitudenwerten der Unruh hat der Katapult-Schock den Gang in den verschiedenen Lagen eher in Richtung Optimum verändert. Krone unten: +2 Sek. gleich bleibend. Krone links: vorher +1 Sek., nachher 0. Zifferblatt unten: gleich bleibend +1 Sek. Zifferblatt oben: vorher +4 Sek., nachher +3 Sek.
Die gleiche Testprozedur wiederholt sich mit dem Multifunktions-Chronographen 900 – fast schon ernüchternd, aber überaus positiv. Die Teams von DEKRA und Sinn erkennen nach dem zweiten „Uhrknall“ in der Testhalle sehr schnell: Da tickt keine „Zeitbombe“, sondern eine grundsolide Uhr. Auch hier im Hundertstel-Bereich nur leicht veränderte Amplitudenwerte und ein stabiles Gangverhalten. Krone unten: vorher +2 Sek., nachher +3 Sek. Krone links: +1 Sek. gleich bleibend. Zifferblatt unten: vorher +4 Sek., nachher +3 Sek. Zifferblatt oben: vorher +2 Sek., nachher 0. Wie heftig ein Aufprall aus 64 km/h sein kann, wurde am Sitz sowie der Sitzhalterung deutlich. Beide Teile waren für weitere Tests nicht mehr zu verwenden.
Fazit
Preußen und Sachsen prallen schon lange nicht mehr aufeinander, und an Sinn Uhren prallt so manches spurlos ab, was der Mensch nicht ohne weiteres verkraften kann. Neben der unempfindlichen Uhrwerktechnik sind gehärtete Gehäuse und Saphirkristallglas-Oberflächen eine sinnvolle Beigabe für dauerhafte Makellosigkeit im rauen Alltag.